Rezension: Daniela Krien, Die Liebe im Ernstfall, Diogenes Verlag
Ein kleines Büchlein, handlich, im schlichten Weiß des Diogenes Verlags - das verspricht anspruchsvolle, „literarische“ Lektüre. Mir war mal wieder danach.
Fünf Frauenschicksale werden miteinander verwebt – obwohl, verwebt ist vielleicht das falsche Wort. Es passt eher auf einen Roman wie "Der Zopf", in dem drei Frauenschicksale zu einer einzigen Geschichte verflochten werden. Bei Daniela Krien sind die Frauenfiguren locker auf die eine oder andere Weise verbunden. Als Freundinnen, Rivalinnen, oder einfach nur durch Alltagsbeziehungen miteinander bekannt. Und so vereinen sich in diesem handlichen, weißen, anspruchsvolle Literatur versprechenden Bändchen, fünf voneinander unabhängige Geschichten, die jedoch alle im Grunde eine Abwandlung ein und desselben Themas sind: Frauen und die Abwesenheit von Liebe.
Und das ist in der Tat ein „Ernstfall“.
Der Roman hat mich zugleich beeindruckt und abgestoßen. Jede einzelne dieser Frauenfiguren habe ich gehasst. Ich hätte sie schütteln mögen, ohrfeigen, anschreien: „Reißt euch zusammen! So verdammt unglücklich kann man doch gar nicht sein!“
Beeindruckt hat mich, wie Daniela Krien es geschafft hat, mich dennoch hineinzuziehen in diese Welt voller Traumata und weiblichem Pathos. Selten habe ich ein solch zutiefst humorloses Buch gelesen. Bitte nicht falsch verstehen – ich meine mit Humor nicht Komik. Ich meine mit Humor dieses kleine, oft kaum wahrnehmbare Augenzwinkern der erzählenden Instanz, die uns nie im Zweifel darüber lässt, dass die Welt ein verrückter, aber dennoch am Ende liebenswerter Ort ist, weil sie uns eine solche Fülle an Schrecklichem oder auch Wundersamem, Schönem oder Absurdem für die Welt unserer Geschichten liefert. Ich mag es, wenn eine ironische Distanz in der Erzählhaltung spürbar bleibt, eine subtile Freundlichkeit und Wärme den Figuren gegenüber; wenn selbst die furchtbarsten Niederungen menschlicher Empfindung durch eine leise Ironie erträglich bleiben.
Daniela Krien schreibt ironiefrei. Ernst. Bitterernst. Sie ist eine Chirurgin, die sich in die tiefsten Schichten der menschlichen – pardon, hier ist es ausschließlich die weibliche - Seele hineinschneidet. Es tut weh. Sehr weh. Auch wenn das, was sie beschreibt vielleicht wahr ist - viel wahrer, als wir uns das alle eingestehen mögen - so möchte ich das nicht lesen. Ich will nicht, dass die Welt so ist. So kalt. So einsam. So abgrundtief feindlich gegenüber der weiblichen Seele, die nur eins will – geliebt werden. Und darin immer und immer wieder enttäuscht wird. Ich will das nicht – und doch lese ich weiter. Halte mir fast die Ohren zu, wenn Daniela Krien unerbittlich ihre Worte aneinanderreiht, als schneide sie sich mit einem Diamanten durch den Spiegel unseres Daseins.
Dieses Buch ist ein Bestseller. Ich verstehe es, verstehe es zugleich aber auch nicht. Warum tun wir uns das an? Wollen wir wirklich so genau wissen, wie das weibliche Ich sich immer mehr zersetzt, indem es nach beruflichem Erfolg und Anerkennung strebt und zugleich dieses tiefe, innere Bedürfnis nach der wahren Liebe (sei es Mutterliebe oder Liebe zu einem Mann) auf dem Opfertisch darbringt? Und sich von kaltherzigen Chirurginnen, Seziererinnen der Wirklichkeit wie Daniela Krien zerschnippeln lässt?
Leute, ich glaube ich lese als nächstes wieder einen richtig schönen Liebesroman, in dem die Welt noch in Ordnung ist, weil der Eroberer unserer Heldins Herzen, der ideale Mann, als Heilversprechen am Happy-End mit der weißen Fahne der Hoffnung winkt.
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