Presseartikel "Der Gerresheimer", Januar 2019

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Rheinische Post, Stadtgespräch, 21. Mai 2019
RPArtikel_ Autorin Stefanie Hohn liest
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Interview in der Qwertz, Oktober 2020

"Ich hinterfrage jeden Satz"

Als literarische Übersetzerin hast du natürlich beruflich viel mit Literatur und Schreiben zu tun. Wie bist du zum eigenen Schreiben gekommen?

  

Die Frage sollte besser lauten: wie bist du zum literarischen Übersetzen gekommen, denn Schreiben wollte ich schon immer (so ein blöder, klischeehafter Satz, aber er ist leider wahr). Ich habe Literaturübersetzen studiert, weil ich eigentlich Schriftstellerin sein wollte, aber glaubte, zum Romanschreiben noch zu wenig erlebt zu haben. Ich dachte damals, wenn ich lerne, Romane zu übersetzen, könnte ich auch lernen, wie man Romane schreibt (glaube ich heute noch immer), dann habe ich aber für lange Zeit meine Zielgerade aus dem Auge verloren – habe viele Jahre weder geschrieben noch übersetzt. Leben war intensiv und Anderes viel wichtiger – bis zu dem Punkt, als ich so weit entfernt von meinem eigentlichen Ziel war, dass es auf die Gesundheit ging. 2014 habe ich mich für ein Schreibstudium an einer Fernschule entschieden – eine, vielleicht die beste Entscheidung meines Lebens.

 Wie hat sich dein Schreiben entwickelt? Welche Rolle spielt das Schreiben für dich?

 

Für mich gibt es kaum eine intimere Frage, als die nach der Rolle, die das Schreiben für mich spielt. Ich bin durch und durch ein Sprachmensch. Sprache ist für mich das, was für Maler die Farben sind, für Musiker die Noten. Schreiben ist ein Bedürfnis. Oft ist es pure Qual, aber jeder gelungene Satz ist so beflügelnd, dass ich dem Schreibprozess die Quälerei nachsehe, die er mir verursacht 😉. Das Problem bei der Sprache ist, dass sie auch ein Kommunikationsmittel ist, der wir uns alle bedienen und sie deshalb im alltäglichen Kontext ihre Kunstfähigkeit verliert. Menschen, Schriftsteller, die es schaffen, der Sprache ihre Kunstfähigkeit wiederzugeben, bewundere ich zutiefst, wobei ich selten Lyrik lese. Im ersten Ansatz möchte ich natürlich fesselnde Geschichten erzählen und da darf die Schönheit oder Besonderheit der sprachlichen Form nicht das Ziel an sich sein. Trotzdem – ich würde sagen, ich schreibe heute bewusster, hinterfrage jeden Satz, überlege, ob es nicht noch besser ginge. Meinen ersten Roman habe ich einfach heruntergeschrieben, so wie es kam. Jetzt plane ich viel mehr, wäge jedes Wort ab – was den Prozess stark verlangsamt. Hinzu kommt, dass ich durch die Erfahrungen, die ich mit dem Buchmarkt in den letzten Jahren gemacht habe, auch in der Wahl der Themen sehr viel bewusster vorgehe – was nicht immer von Vorteil ist.

  

Wie verlief dein Weg zur ersten Veröffentlichung?

 

Ich habe vor etwa 13 Jahren, als meine Kinder im Kleinkindalter waren, meinen ersten Roman geschrieben. Mich einfach eines Tages hingesetzt und losgeschrieben. Nach zwei Monaten war ich fertig. Das, was da entstanden war, habe ich an einen einzigen Verlag geschickt. Es kam sogar eine sehr freundliche und ausführliche Absage, die mich – hätte ich meinen heutigen Kenntnisstand gehabt – sofort dazu hätte veranlassen sollen, mich bei weiteren Verlagen zu bewerben. Dass es Agenturen gibt, wusste ich damals noch nicht einmal. Die Absage war aber für mich das Signal: Siehst du, war nicht gut genug. Du musst viel mehr üben, bevor du dich mit deiner Schreiberei an die Öffentlichkeit wagst.

Das Manuskript ist in der Schublade gelandet. Ich habe es erst 2015 wieder herausgezogen, als ich meine ersten Kurzgeschichten unterbringen konnte und ein wenig mehr wusste, wie das mit dem Veröffentlichen so funktioniert. Da dachte ich dann, hm – so schlecht ist das gar nicht. Ich fragte meine damalige Studienleiterin bei der Schule des Schreibens, was sie davon hielt und ob sie es lektorieren wollen würde. Es wurde dann mein erster Selfpublishing-Titel. Ein Testballon. Der hat mir einige Türen geöffnet und mir den Mut gegeben, weiterzumachen.

 

Du hast sowohl in Verlagen als auch als Selfpublisherin veröffentlicht. Was sind die jeweiligen Vor- und Nachteile aus deiner Sicht?

 

Der entscheidende Vorteil des SP ist, dass ich die Geschichten schreiben kann, die ich will und mich nicht darum scheren muss, was der „Markt“ gerade angeblich will und trotzdem die Möglichkeit habe, Leser zu erreichen – wenn auch nicht die großen Massen. Der entscheidende Nachteil ist, dass ich sehr, sehr viel Zeit und Geld ins Marketing stecken muss, um meine Bücher überhaupt sichtbar zu machen. Um im SP richtig erfolgreich zu sein, muss ich in hoher Frequenz veröffentlichen, 3-4 Titel pro Jahr, denn ein neuer Roman ist das beste Marketinginstrument für die bereits vorhandenen Titel (wenn man denn im selben Genre bleibt).

Im SP bin ich zu 80% Unternehmerin. Als Verlagsautorin darf ich zu 80% Schriftstellerin sein – und das ist es, was ich sein möchte. Ich produziere Romane nicht am Fließband, will das nicht, könnte es nicht. Insofern werde ich wohl niemals eine erfolgreiche Selfpublisherin werden.

Das Veröffentlichen im Verlag erlaubt mir, mich im Wesentlichen auf das Schreiben zu konzentrieren. Natürlich muss ich auch Marketing betreiben – aber nicht in den Maßen wie im SP. Der Nachteil als Verlagsautorin ist aber, dass ich nicht mehr frei bin in dem, was ich schreibe. Es geht – so scheint mir – immer weniger um die Qualität eines Textes und immer mehr um Themen, Schnittmuster-Geschichten nenn ich das. Gesucht wird nach einer Variante des Gleichen, es soll besonders sein, aber bitte nicht zu besonders. Geschichten, die mit Genregrenzen spielen (wie meine oft) „gehen“ nicht. Das ist der große, schwere, entscheidende Nachteil des Veröffentlichens über einen (Publikums-)Verlag.

 

Du veröffentlichst unter deinem Klarnamen und dem (offenen) Pseudonym Franca Steffen. Warum? Was sind die Vor- und Nachteile?

 

Das hat sich entwickelt. Mein erster Roman war stark autobiographisch – den wollte ich nicht unter Klarnamen veröffentlichen. Dann dachte ich bei der zweiten VÖ (Paradise Landing) es mache ja Sinn, beim Pseudonym zu bleiben, weil einige Leser mich von Karriere im Kinderzimmer schon kannten, was natürlich unter marketingtechnischen Aspekten Unsinn war, denn es waren zwei sehr unterschiedliche Genres. Paradise Landing ist ein Mysterythriller, also eine völlig andere Zielgruppe. Dann kam Magie der Farben, mein Verlagstitel und hier war mir persönlich wichtig, dass er unter meinem Klarnamen erscheint und auch der Verlag wollte das. Inzwischen kann ich mit beiden Autorennamen die Genres, die ich „bediene“ gut und klar voneinander abgrenzen. Stefanie Hohn steht für die  gehobenere Unterhaltung für Frauen, Franca Steffen für die Young Adult Mystery-Schiene. Das passt gut so und ich werde das auch so beibehalten. Der Nachteil ist natürlich, dass ich zwei Instagram-Accounts bedienen muss und Leser von Franca Steffen nicht unbedingt auf die Stefanie Hohn-Romane aufmerksam werden – selbst dann nicht, wenn sie durchaus beide Genres gerne lesen. Ich versuche, die Social-Media Konten miteinander zu verknüpfen und überlege jetzt auch, zumindest auf Instagram nur noch eines zu bespielen.

  

 

Wie findest du deine Themen und Geschichten? Wie recherchierst du?

 

Wie heißt es doch so schön? Die Themen/Geschichten finden mich… Wieder so ein klischeebeladener Autorensatz. Nein, aber ehrlich – ich weiß es nicht. Ich gehöre nicht zu den Autorinnen, die tausend Ideen haben, die sie in Zettelkästen archivieren und dann bei Bedarf hervorziehen. Ich habe sogar meistens nach Fertigstellung eines Romans erst einmal eine totale Leere. Bin verzweifelt und denke, niemals wieder eine Idee zu haben. Nie wieder ein Buch schreiben zu können. Übel, ganz übel. Es war bisher auch bei jedem Roman anders. Mal war es ein Traum (Die Ewigkeit des Augenblicks), mal ein Bild (Am Ende der Stille), mal eine Figur und eine besondere Marotte (Die Magie der Farben). Es ist nicht planbar und es ist ein Mysterium. Wenn es keines wäre, könnte das Schreiben nicht diese Faszination auf mich ausüben, denke ich.

Wenn ich für einen neuen Roman recherchiere, verbinde ich das am liebsten mit einer Reise. Die Zielorte sind Inspiration, setzen wieder neue Ideen frei. Für die Magie der Farben, die ja zu großen Teilen in Aachen spielt, bin ich extra nach Aachen gefahren, obwohl ich dort geboren bin und schon hunderte Male dort war, um Familie zu besuchen. Aber ich musste mit den Augen meiner Protagonisten alles noch einmal sehen, anders sehen. Für die Ewigkeit des Augenblicks habe ich einen Bildhauerkurs in einem Dorf in den Marmorbergen der Toskana gemacht, denn wie sonst hätte ich über einen Bildhauer schreiben sollen? Ich musste das Material fühlen, wissen, wie es sich anfühlt, ob es riecht, wie es riecht und wie es klingt, wenn Eisen auf Marmor trifft.

Ich lese aber auch viel (Biografien u.ä.) und recherchiere im Internet. Für meinen nächsten Roman war ich in Barcelona und habe die Flamenco-Bars abgeklappert. Ich muss eintauchen können, mich in meine Protagonisten einfühlen, um zu wissen, wie sie handeln, was sie denken.

 

 

Manchmal hat man als Autorin, als Autor ein „Grundthema“, das sich durch viele Texte zieht. Wie ist das bei dir? Was liegt dir besonders am Herzen, was möchtest du vermitteln?

 

Ja, ich habe ein Grundthema. Definitiv. In fast all meinen Romanen geht es ums Finden und Erinnern. Darum, etwas Verschüttetes oder nicht Wahrgenommenes freizulegen – oft ist es verbunden mit Kreativität, kreativem Ausdruck. Deswegen schreibe ich so häufig über Kunst (Malerei, Bildhauerei, Tanz).

 

 

Was sind aus deiner Erfahrung als Dozentin die häufigsten Fehler, die Autoren machen und wie kann man sie vermeiden?

 

Oh, das ist eine schwierige Frage. Ich lese ja sehr viele Texte von Schreibanfängern und erinnere mich auch sehr gut an meine ersten Versuche. Vielleicht ist das Bemühen, dem Leser/der Leserin alles haarklein erklären zu wollen, damit er/sie nur ja versteht, was ich als Autorin sagen möchte, einer der häufigsten Fehler. Ich habe ihn auch selbst gemacht.

Im Grunde muss man lernen, Leser*in des eigenen Textes zu sein, denn dann spürt man selbst, was besser wegzulassen wäre, damit der Text seine Wirkung entfalten kann.

 

 

Was sind deine wichtigsten Tipps für das Schreiben und für das Veröffentlichen?

 

Für das Schreiben: es TUN, sich hinsetzen und loslegen. Es um Himmels Willen nicht auf ein „irgendwann einmal“ vertagen. Es JETZT tun. Und lesen, lesen, lesen und nochmal lesen.

Für das Veröffentlichen: nicht den ersten Text raushauen, sondern abwarten, weiterschreiben, besser werden. Sich Foren suchen, Autoren- oder Schreibgruppen, Gleichgesinnte, mit denen man sich über die eigenen Texte austauschen kann. Ein Gefühl dafür entwickeln, wie das, was man schreibt ankommt und – ganz besonders wichtig – Kritik als Motivation nehmen, sich zu verbessern. Das ist vielleicht das Schwierigste daran 😊.

 

 

Was kannst du uns über dein aktuelles Projekt erzählen?

 

Hm, nicht viel. Vielleicht nur: Es wird wieder um die bildende Kunst gehen. Und: es wird historisch.

Es liegt aber auch schon ein fertiges Manuskript in der Schublade, das wahrscheinlich als nächstes erscheinen wird (Anm.: geplanter Veröffentlichungstermin: 26. November 2020). Eine Geschichte, in der Spanien und der Tanz eine wichtige Rolle spielt (siehe oben). Spanien ist ja für mich ein besonderes Land, denn ich bin mit einem Spanier verheiratet. So ist dieser Roman in gewisser Weise eine Verneigung vor dieser wunderbaren Kultur.

 

 

Wie hat die Corona-Zeit dich und dein Schreiben beeinflusst?

 

Die Corona Zeit hat mir die Möglichkeit genommen, mich einfach in ein Flugzeug zu setzen und meine Recherche am Ort des Geschehens vorzunehmen. Aber sie hat mir auch gleich zwei große Geschenke gemacht: viel Zeit mit meiner Familie und eine Gartenhütte, in die ich jetzt meinen Schreibraum verlagert hat. Dafür bin ich dankbar!

 

 

Die Fragen stellte Tatjana Flade, BVjA